Eine Sehnerv-Entzündung versetzt Sie plötzlich auf eine neurologische Station: Sie lassen unzählige Untersuchungen über sich ergehen. Gefühlsstörungen oder der Verlust über die Kontrolle Ihrer Muskelfunktionen bringt Ihren Alltag aus dem Konzept. In vielen Fällen äußert sich auf diese Weise der erste Schub einer beginnenden Multiplen Sklerose. Lesen Sie heute, wie man einen Schub erkennt und wann man üblicherweise mit einem zweiten rechnen kann.
Was ist ein MS‑Schub?
Als Schub wird das Auftreten von MS-Anzeichen bezeichnet – ist es der zweite Schub, können das bereits bekannte oder aber auch neue Symptome sein, die für die Nervenentzündungen der Multiplen Sklerose sprechen. Bei MS richtet sich der Körper in einer Autoimmunreaktion gegen die eigenen Myelinscheiden, eine schützende Hülle der Nervenbahnen, und verursacht auf diese Weise Entzündungen.
Um sicherstellen zu können, dass es sich um einen Schub handelt, muss eine Infektion als die Ursache der Symptome ausgeschlossen werden.
Diese Symptome eines MS-Schubs treten häufig auf:
- Fatigue
- Gefühls- und Sensibilitätsstörungen
- Seh- und Augenbewegungsstörungen
- Spastiken, Lähmungen und Störungen der Koordination
- Störung der Blasenaktivität
Abhängig davon, welche Art von Nerven geschädigt ist, setzten unterschiedliche Symptome ein. Ein Schub dauert in der Regel mindestens 24 Stunden. Mit zunehmend mehr Schüben kann, abhängig von der Art der MS, das Risiko einer Behinderung zunehmen. Nach jedem MS-Schub erfährt die Person einen Funktionsverlust der Nerven, bei dem das Risiko besteht, dass sich die entstehenden Schäden nicht mehr zurückbilden. Dadurch können sich im zunehmenden Krankheitsverlauf die Symptome summieren und verschlechtern, bis der Mensch mit Multipler Sklerose beispielsweise beim Gehen, Sprechen oder Sehen auf Hilfsmittel angewiesen ist. Ein MS-Schub kann sehr kräftezehrend sein, weshalb viele Personen mit MS das Fatigue-Syndrom oder sogar Depressionen entwickeln.
Nach einem Schub bessern sich diese Symptome, häufig verschwinden sie für die schubfreie Zeit auch vollständig. Schübe können in einem Abstand von mindestens einem Monat bis zu zwei Jahren auftreten.
Das klinisch isolierte Syndrom: Ist das schon der erste Schub?
Beim klinisch isolierten Syndrom (engl. Abkürzung: CIS) treten bei einem Patienten erstmalig Symptome für mindestens 24 Stunden auf, die auf MS schließen lassen.
Erst sobald ein zweiter Schub von MS-typischen Symptomen auftritt, kann die Erkrankung an Multipler Sklerose in der Regel eindeutig identifiziert werden. Dann ist ein Besuch bei einem Neurologen unbedingt erforderlich, damit die Erkrankung so früh wie möglich festgestellt werden kann. Dieser macht eine Reihe Untersuchungen, beispielsweise einen MRT-Scan Ihres Gehirns.
Mit einer frühzeitigen Diagnose und einer guten Therapie lassen sich die folgenden Schübe länger hinauszögern, um das Risiko einer früher eintretenden Behinderung zu minimieren.
Doch nicht jede Form der MS tritt schubweise auf: Eine Ausnahme bildet die primär progrediente Form der MS, die etwa zehn Prozent aller MS-Patienten betrifft – diese Art tritt meist ab dem 40. Lebensjahr auf und ist gekennzeichnet von einem, sich konstant entwickelndem Krankheitsverlauf und einem, sich damit erhöhendem Risiko einer Behinderung.
Lesen Sie hier nach, welche Formen der Multiplen Sklerose es gibt:
MS: Was Sie über die verschiedenen Typen wissen sollten
Wann kommt der zweite Schub und wie kann man ihm vorbeugen?
Zwei Schübe erfolgen in einem Abstand von mindestens 30 aufeinanderfolgenden Tagen, in denen Sie keinen Symptome zeigen. Das ist eine medizinische Vorgabe: zeigen Sie einen längeren Zeitrahmen keine Anzeichen einer Multiplen Sklerose, können Ärzte Rückschlüsse auf den Rückgang der Entzündungsprozesse an Ihren Nerven ziehen.
Denn in etwa 90 % der Fälle bilden sich diese Entzündungen zurück und der Schub der Multiplen Sklerose klingt ab, damit später ein neuer entstehen kann.
Mit dieser einmonatigen Marke grenzt Ihr Arzt oder Ihre Ärztin also den ersten Schub vom zweiten ab. Desto länger dieser Abstand ist, desto milder kann die MS bei Ihnen verlaufen.
Handeln Sie so früh wie möglich: Besprechen Sie mit Ihrem Neurologen, ob ein Verdacht auf MS bestehen könnte. Eine frühe Behandlung von MS kann die Anzahl der auftretenden Schübe im späteren Krankheitsverlauf verringern.
Wie lange dauert ein MS-Schub, wenn er nicht mit Medikamenten behandelt wird?
Unbehandelt dauert ein Schub der Multiplen Sklerose länger als mit Medikamenten. Patienten sagen, dass er ohne eine medikamentöse Therapie unangenehmer wird. Es besteht das Risiko, dass ein bestimmter Anteil der Symptome dauerhaft bleibt. Je eher ein Schub behandelt wird, desto eher sind bleibende Schäden am zentralen Nervensystem vermeidbar.
Wie lange ein MS-Schub dauert, ist sehr individuell und von der Schwere des Schubs abhängig.
Kein Schub: Das Uhthoff‑Phänomen
Erhöhen sich die Temperaturen – sei es sommerliche Hitze oder das körpereigene Fieber – treten bei etwa 80 % aller Menschen mit Multipler Sklerose verstärkt Symptome auf. Man nennt es das Uhthoff-Phänomen, ein sogenannter „Pseudo-Schub“. Der Augenarzt Wilhelm Uhtoff erklärte, dass die Verschlechterung des gesundheitlichen Zustands bei Hitze durch körperliche Anstrengung zutage tritt.
Bei manchen Betroffenen reichen ein Besuch in einem Dampfbad, einer Sauna oder in einer heißen Dusche für die Verstärkung der MS-Symptome aus. Die Anzeichen bilden sich jedoch immer wieder zurück.
Meiden Sie die Auslöser: Duschen sie kalt, verwenden Sie Ventilatoren und Klimaanlagen, verzichten Sie auf Urlaube in den Tropen oder der Wüste und auf Saunagänge.
Wie stellt man die MS‑Diagnose?
Erst wenn ein zweiter Schub auftritt, liegt der Verdacht nahe, dass es sich nicht nur um ein klinisch isoliertes Syndrom handelt, sondern dass die Symptome auf Multiple Sklerose zurückzuführen sein könnten. Der erste Ansprechpartner ist in diesem Fall Ihr Hausarzt oder Ihre Hausärztin, dieser überweist Sie an einen Nervenfacharzt, einen Neurologen.
Was macht dieser Neurologe? Er prüft: die Funktion Ihrer Sinnesorgane, Ihr Gleichgewicht sowie Beweglichkeit und Koordination. Weitere Tests liefern Hinweise darauf, ob es MS sein könnte. Summieren sich diese Hinweise, kann eine Multiple Sklerose diagnostiziert werden. Im Folgenden sind diese Tests aufgelistet:
- Untersuchungen des Nervenwassers: Das Verfahren heißt Liquordiagnostik und prüft, ob sich im Nervenwassern sogenannte Oligoklonale Banden befinden
- Nervenuntersuchungen: Die Leit- und Funktionsfähigkeit Ihrer Nerven wird auf Herz und Nieren überprüft. Dabei werden evozierte Potenziale gemessen.
- Magnetresonanztomographie (MRT): Mit der Kernspintomographie kann der Neurologe Bilder Ihres Gehirns anfertigen und dadurch Entzündungsherde darin feststellen
- McDonald-Kriterien: Diese Kriterien bestimmen eine räumliche und zeitliche Verteilung der MS-Anzeichen. Anhand dieser Richtlinien kann ein Arzt bestimmen, ob es sich tatsächlich um Multiple Sklerose handelt.
- Blutuntersuchungen und Ausschlussdiagnosen: Infektiöse Erkrankungen müssen ausgeschlossen werden. Wie beispielsweise Syphilis, HIV oder Borreliose. Das Blut darf bei MS ebenfalls keine Auffälligkeiten zeigen, da sich die Entzündungsherde an den Nervenbahnen befinden und damit nicht in Kontakt geraten.
Wie es nach der Diagnose weitergeht: Je früher die Multiple Sklerose diagnostiziert wird, desto besser lässt sie sich behandeln. Damit steigt auch die Lebenserwartung, die bei einem MS-Patienten heute so hoch sein kann wie die Lebenserwartung eines gesunden Menschen.
Fazit
Bei jeder Person mit Multipler Sklerose äußert sich der Schub anders. Wann, ob und wie der zweite Schub auftritt, hängt von der Art der MS ab. Oftmals bilden sich die Entzündungsprozesse wieder zurück. Weil sich eine MS auf verschiedene Arten äußern kann, hängt die Diagnose oftmals vom Auftreten eines zweiten Schubs ab und es bedarf mehrerer Untersuchungen, um eine Multiple Sklerose festzustellen. Gibt es keinen zweiten Schub, spricht man bei einer einzigen Episode von MS-Symptomen von einem sogenannten klinisch isolierten Syndrom.
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